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29. Tag: Lipova - Gurasade (90 km)
Fr, 18.05.2007


Heute Nacht regnet es anhaltend - auch noch sporadisch beim Aufstehen. Obwohl ich in einer Regenpause einräume, bleibt das Zelt natürlich nass. Unterwegs nieselt es anfangs, später hebt sich die Wolkendecke. Am Abend scheint sogar die Sonne wieder.

Ich finde bei der Fahrt durch Lipova - vorbei an einem Stadtzentrum im Zustand des totalen Verfalls und vorbei an einem Markt wie im Mittelalter - die Ausfahrt zur Nebenstraße auf der linken Seite (Südseite) der Mares. Sie Straße führt durch eine Welt, die bei uns vor 100 Jahren so gewesen sein könnte. Die Häuser sind zwar solide aus Backstein gebaut, korrodieren aber an Außenputz und Dach. Ärmere wohnen in Holzbohlenhäusern. Im Wiesengrün vor den Häusern tummeln sich Scharen von Gänsefamilien mit unzähligen Jungen. Dazwischen picken Hühner, grasen Pferde und Kühe. Das Pferdefuhrwerk ist immer noch ein übliches Transportmittel.

Die vom Regen gut gefüllten Straßengräben verlängern sich heute über die Ablaufrinnen für das Hausabwasser bis in die Höfe. Diese bestehen daher nur aus Schlamm und Matsch. Gummistiefel sind das einzig brauchbare Schuhwerk. Es gibt weder Wasser- noch Abwassersysteme. Lediglich die Stromversorgung klappt einigermaßen. Wie im Film radle ich 50 km über holprige Straßen durch diese Szenerie. Bei der Mittagspause - am Brunnenplatz von Birchis - werde ich von den aufdringlichen Kindern des Dorfes umringt. Ich verlasse schimpfend die Parkbank ohne das sonst übliche Mittagsschläfchen.

Die Brücke über die Mares, die mich zurück in die moderne Welt entlang der Hauptstraße bringen soll, ist gesperrt. Eine Umleitung 20 km flussaufwärts wird vorgeschlagen. Leider endet aber der Asphalt am Ausgang des nächsten Dorfes. Der dann folgende Zustand ist schlechter als alles, was ich bisher an "Dirt Roads" erlebt habe: eine einzige Matsch- und Pfützenpiste, seit Jahren nicht mehr ausgebessert. Nur im Schritttempo komme ich voran. Schieben geht auch nicht - sonst versinke ich mit den Schuhen im Matsch. Endlich - nach Durchfahrt durch ein nicht mehr genutztes Schotterwerk - gibt es eine Brücke, die wieder auf die SP 7 führt.

Der Verkehr dort ist gar nicht so dicht. Die Fahrweise aber ist dermaßen rücksichtslos, wie ich sie noch selten erlebt habe. Obwohl hier Radfahrer nicht verboten sind, werde ich durch überholende Fahrzeuge mehrfach auf den unbefestigten Seitenstreifen gedrängt. Lkws von hinten hupen einfach statt auszuweichen. Dabei gibt es lange Lücken im Gegenverkehr, wo ein gefahrloses Überholen möglich wäre.

Gegen 19:00 Uhr finde ich am Straßenrand eine Privat-Pension. Die Familie hat ihr nagelneues Haus in drei Doppelzimmer mit gemeinsamem Bad umgewandelt. Er arbeitet für eine Automatik-Tür-Firma in Brüssel (!), sie betreibt einen kleinen Viehstall. Sie wohnen beide im Hinterhaus. Den Preis für die Nacht kann ich nur mit Mühe von 100 Lei auf 80 Lei (= 24 Euro) herunterhandeln.


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