[ vorhergehender Tag] [Übersicht] [nachfolgender Tag]


27. Tag: Battonya - Arad (30 km)
Mi, 16.05.2007


Nachts regnet es am Rande eines großen Gewitters ein wenig. Bis ich gegen 10:00 Uhr starte, scheint aber wieder die Sonne.

Ich folge der für gestern geplanten Route. Sie wäre gestern Abend bei weitem zu lang gewesen. Der Grenzübertritt nach Rumänien ist wieder formlos. Ich betrete nun eines der ärmsten Länder der EU. Auf den Feldern fällt die geringe Bewirtschaftung gegenüber Ungarn auf. In kleinen Privatparzellen jäten alte Frauen das Unkraut auf Knien. Ein Wohnblock für Landarbeiter sieht schlimmer aus als hier die Obdachlosenunterkunft.

Die SP 43 erreiche ich 10 km vor Arad. Sie ist nicht weniger befahren als gestern. Zum Glück zweigen die Lkws 5 km vor der Stadt auf eine holprige Umgehung ab. Entlang dieser Straße entseteht neues Gewerbe, liegen Metro und Praktikermarkt. Die Hauptstraße ins Zentrum ist nun vierspurig. Die Hälfte der rechten Fahrbahn hat sich aber schon aufgelöst. Die alten Industriebauwerke liegen brach und verrotten. In einer Waggonfabrik für die Eisenbahn wird immer noch in den alten Hallen gearbeitet.

Der Bahnhof von Arad grüßt mit einer imposanten Fassade. Dahinter öffnet sich ein von der EU renovierter Empfangssaal - ohne Fahrplanaushänge oder andere Informationen über die Züge. An einer kaum lesbaren LED-Anzeige werden Züge angezeigt, die längst abgefahren sein sollten. Eine Bahnhofsuhr gibt es nicht.
Nur der Hausbahnsteig ist in Ordnung. Dort halten alle internationalen Züge. Gerade kommt ein Schnellzug mit Schlafwagen nach Wien und München (von Bukarest). Die Loks sind schwere russische Nachbauten, durchweg sechsachsig und zu schwer für die Weichen und Gleise. Die Regionalzüge fahren mit offenen Türen.

Die Einfahrt in die Stadt erinnert mich an manche Eindrücke aus Marokko - man könnte auch "dritte Welt" sagen. Am Straßenrand lungern Kinder herum - eines mit Schlagstock, ein anderes Kind mit amputiertem Arm...

Im Zentrum bessert sich die Lage. Der Rathausplatz ist schön herausgeputzt. Hier halte ich zum erstenmal, um mich im Stadtplan des Lonely Planet zu orientieren. Meterspurige Straßenbahnen rumpeln vorbei - aus allen Teilen Deutschlands von der Verschrottung weggekauft. Zum Teil tragen sie noch die deutschen Werbeaufschriften, ein lebendiges Straßenbahnmuseum. Die Gleislage ist abenteuerlich: Bis zu 10 cm tief sind die Gleise im Straßenbett versunken. Damit die Bahn nicht aufsetzt, wird einfach der Asphalt zwischen den Gleisen weggekratzt. Elektrische Weichen gibt es nicht. Der Wagenführer muss jeweils aussteigen und mit dem Metallstab von Hand die Weiche stellen.

Ich finde die "Baza sportiva" am Ufer der Mures. Im Obergeschoss des Gebäudes finden sich Viererzimmer, die wohl vor allem an Bautrupps vermietet werden. Ein älterer Herr führt mich zu den Besitzern des Sportclubs - eine mafia-ähnliche Gruppe von drei jungen Männern. Erst wollen sie 22 Euro für das Zimmer - dasselbe wie für 4 Personen. Schließlich kann ich den Preis auf 12 Euro herunterhandeln. Die Sanitäranlagen sind katastrophal. Warmwasser gibt es nicht, die Duschköpfe der Kaltdusche sind abgerissen bzw. gleich der ganze Schlauch. Niemand kümmert sich oder repariert.

Meine Stsdtbesichtigung führt zum Informationsbüro. Wo es einen Supermarkt gibt, wissen sie nicht, was die Staatsoper heute Abend bietet auch nicht - ich solle doch hinfahren. Ich ziehe am Geldautomat - mit leicht mulmigem Gefühl - 500 RON (=LEU). Das entspricht etwa 160 Euro. Die Telefonkarte bekomme ich problemlos bei der Post, kann wieder zu Hause anrufen - leider spricht nur der Anrufbeantworter.
Nach langem Suchen finde ich schließlich einen großen Billa-Lebensmittel-Supermarkt (österreichische Kette). Es scheint der einzige in der Stadt zu sein. Entsprechend groß ist der Andrang. Der Rückweg ist dann sehr einfach: immer am Damm der Mures entlang, höchstens 3 km zum Zentrum.

Morgen ist Feiertag, Christi Himmelfahrt. In der katholischen Stadtkirche ist um 8:00 Uhr eine deutsche Messe. Da muss ich früh aufstehen, weil in Rumänien die Uhr (nun endlich) eine Stunde weiter gestellt wird. Nach ungarischer Zeit ging die Sonne zuletzt bereits um 4:00 Uhr morgens auf aber schon um 8:00 Uhr unter.


[ vorhergehender Tag] [Übersicht] [nachfolgender Tag]