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7. Tag: Graz: Dom und Joanneum (0 km)
So, 09.08.2020


Um 10:00 Uhr ruft der Dom in die Altstadt zum „Hochamt“. Ich schlendere über den Hauptplatz. Vier international anerkannte Sandburgen-Künstler gestalten heute jeweils ein neues, aber vergängliches Werk nach griechisch-mythologischen Motiven. Am beeindruckendsten ist der „Brand Trojas“ – das trojanische Pferd steht noch innerhalb der Mauern.

Über die Bürgergasse gelange ich auf den Domberg. Kurz läuten die Glocken 15 Minuten vor Beginn – dann ist Stille. Nur wenige Besucher finden sich in dem großen Kirchenschiff ein – vielleicht 50 auf 500 Plätzen. Leider nehmen alle am Platz die Schutzmasken ab und singen kräftig mit. Alle Türen und Fenster sind verrammelt – keine gute Sicherheitsstrategie in Corona-Zeiten.

Ein leicht alternativ wirkender Priester mit langem Haar predigt über das Wunder Jesu, der über das Wasser des Sees Genezareth geht. Petrus will es auch versuchen – versinkt aber sobald er nicht mehr vertraut. Das gibt Anlass für zahlreiche Spekulationen über die Hilfe Gottes (oder Jesu ?) in Notsituationen.

Vom Domberg gelangt man über die Sporgasse direkt zum modernistischen Kunsthaus am Ufer der Mur. „Friendly Alien“ nennen es die Grazer. Eine wulstige Glashaut besitzt mehrere Sporne – Corona lässt grüßen… Innen gibt es ausschließlich Video-Installationen. Das gab‘s beim ZKM in Karlsruhe schon vor 20 Jahren. Interessant ist dennoch die Geschichte der „Cals Art“, der kalifornischen Künstlerschule in den Siebzigern, eine Atmosphäre wie in Summerhill – Schule ohne Anleitung.

Ich kehre zurück zur Wohnung für ein warmes Mittagessen. Abends wird’s wahrsc heinlich spät nach dem Orgelkonzert im Dom. Erst um 15:30 Uhr bin ich wieder unterwegs und suche das Joanneum Museums Center mitten in der Altstadt. Es ist gut versteckt - bis ich es finde, ist es bereits 15:45 Uhr. Das „Center of Science Activities“ (COSA) lässt um 15:00 Uhr die letzten Besucher ein. Ich weiche aus auf die „Neue Galerie“ – alles enthalten im Jahresticket. Eine ganze Etage ist Günter Brus („Bruseum“) gewidmet. Er versucht seine Gefühle beim Hören spätromantischer Musik in Bilder umzusetzen: Medelssohn, Strauß, Schreker,… Meist zeigt er skurrile Figuren und gibt philosophisch abwegige Kommentare dazu. Für die eigentliche Galerie bleibt nur ein Schnelldurchgang. Ich werde wiederkommen dank meiner Jahreskarte.

Die zwei Stunden bis zum Orgelkonzert im Dom verbringe ich am Springbrunnen vor dem Jakominiplatz – der mit den „tanzenden“ Straßenbahnen. Kurz vor dem Dom an der Hofgasse hat sich eine kleine Kundgebung von Corona-Leugnern versammelt. Alles ist friedlich und gut organisiert. Zwei Polizisten beobachten das Geschehen – leicht gelangweilt.

Am Eingang zum Konzert werden nun sogar Name und Emailadresse erfasst und es gibt Platzkarten. Dennoch trägt im Innern des Doms keiner mehr Schutzmasken. Der Organist ist der Leiter des kirchenmusikalischen Instituts in Graz. Er spielt eine Bach-Suite – viel zu schnell – und einen spätromantischen Orchesterdonner in drei Sätzen. Der Schlusspunkt lässt die Zuhörer so ratlos zurück, dass er schnell noch eine Bachsonate als Zugabe spielt. Das Publikum spendet zahlreich Applaus und Geld für Neugestaltung der Orgel.

Erst um 21:00 Uhr bin ich wieder in der Wohnung. Es gibt einen schnellen Abendimbiss und baldige Nachtruhe.


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