[ vorhergehender Tag] [Übersicht] [nachfolgender Tag]


4. Tag: Graz - Stübing (35 km)
Do, 06.08.2020


Das regnerische Wetter ist beendet, im Lauf des Tages strahl die Sonne bei 26 0C. Heute plane ich die Fahrt auf dem Mur-Radweg R2 nach Norden bis zum österreichischen Freilichtmuseum. Beim Abbiegen vor der Keplerbrücke kollidiere ich mit einem überholenden jungen Radfahrer. Trotz Schürfwunde am Finger radelt er weiter. Ein hilfsbereiter Grazer gibt ihm zwei Pflaster zur Versorgung der Wunde.

Ich finde den Zugang zum westlichen Mur-Radweg . Er führt anfangs entlang der Uferstraße, dann durch Grünzonen vor der Wohnbebauung direkt am Mur-Ufer. Leider endet das Vergnügen beim Vorort Gosten. Ich verliere die Radroute, lande beim Shopping Center Nord, einem riesigen Einkaufszentrum. Von dort führt die Radroute durch eine Unterführungstreppe (!) unter der Bahnlinie zur Endhaltestelle Gosten der Buslinie.

Hier beginnt ein kurven- und steigungsreicher Weg oberhalb der Bahnlinie bis Gratwein mit schönen Perspektiven auf das gegenüberliegende Ostufer der Mur. Der Weg senkt sich hinunter in die Industrie-Zone von Gratkorn. Riesige Holzlager warten auf ihre Verarbeitung oder den Abtransport. Die letzte Etappe verläuft über die Mur-Niederungen vorbei an einem kleinen Mur-Kraftwerk. Das meiste Wasser stürzt über die Flutmauer ungenutzt in die Tiefe.

Überraschend schnell finde ich dann den Eingang zum Freilichtmuseum – direkt an der Uferstraße. Ich erwerbe eine Jahreskarte des Johanneums für 25 Euro. Allein hier und in Schloss Eggenberg summieren sich die Eintrittspreise bereits auf diese Summe. Einen Wermutstropfen entdecke ich beim Abstellen des Rades vor dem Eingang – ich habe mein Fahrradschloss im Abstellkeller vergessen. Ich sichere das Rad durch Verknoten der Gepäckspinne und hoffe, dass angesichts der neuwertigen E-Bikes kein Interesse an meinem Fahrrad besteht.

Die Sammlung des Freilichtmuseums ist beeindruckend. Entlang eines fast 2 km langen, steigenden Talwegs sind historische Holzhäuser aus den landwirtschaftlichen Dörfern Österreichs transferiert und originalgetreu wieder aufgebaut – inclusive der Möblierung und Innenausstattung. Es gibt Bauernhäuser zum Teil noch aus dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Größen. Alle besitzen einen Herd mit offenem Feuer, der auf der Rückseite den Kachelofen für die Wohnstube heizt. Angegliedert sind Stallungen für das Vieh. Eine Sonderstellung hat jeweils das Pferd, wenn sich der Bauer eines leisten kann.

Zahlreiche Mühlen sind betriebsfähig wieder aufgebaut, ein wassergetriebenes Sägewerk, ein kleiner Dorfladen, eine Schmiede, ein Gasthof. Höhepunkt ist eine Dorfschule mit nur einem Klassenraum für 40 Kinder. Der Lehrer wurde von den Eltern in Naturalien bezahlt und wohnte in der Schule – oft sogar im Klassenraum. Mehrere Schautafeln informieren über die Entwicklung des Schulsystems in Österreich.

Nach schnellem Rückweg zum Ausgang bin ich froh, mein Rad noch unberührt vorzufinden. Ich nutze für die Rückfahrt jetzt die parallel verlaufenden Nebenstraßen trotz Autoverkehrs. An der Stelle meiner Kollision am Morgen wird gerade ein schwerer Auffahrunfall mit beteiligten Fahrzeugen aufgeräumt – welch merkwürdige Koinzidenz…


[ vorhergehender Tag] [Übersicht] [nachfolgender Tag]