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8. Tag: Quedlinburg - Magdeburg (60 km)
Do, 19.05.2016


Beim Frühstück sitze ich im Dachgeschoss mit einem älteren Ehepaar aus Dänemark zusammen. Er war schon vor der Wende in der DDR – jetzt erkennt er die herausgeputzten Städte kaum wieder.

Die Tour beginnt mit einem Besuch des Bahnhofs von Quedlinburg. Dort startet um 10:30 Uhr der einzige Vormittags-Dampfzug auf der neu umgespurten Strecke der HSB nach Gernrode und fährt weiter nach Alexisbad. Die kleine 1C1-Dampflok zieht drei Personenwagen und einen offenen Güterwagen für Fahrräder. Sie rangiert ans andere Ende des Zuges und startet nach dem Wasserfassen wieder zurück in den Harz. Ein älterer Australier aus Canberra fragt, warum der schöne Bahnhof so zerfällt. Ich erkläre ihm, dass nur der Kauf durch einen Privatmann die Bahnhöfe der DB retten kann. In Australien kümmert sich die Allgemeinheit um die Bahnhöfe, selbst auf stillgelegten Strecken.

Die Fahrt beginnt auf der Nebenstrecke L 66 nach Kroppenstedt. Wie immer ist der Anfangsteil stärker befahren als Zubringer zur neuen Autobahn. Dann wird es hügelig – allerdings kein Vergleich mit den Anstrengungen der letzten Woche. Meist kann ich im ersten Gang bergauf fahren – muss nicht schieben. Ein weites Land mit intensiver Landwirtschaft breitet sich vor mir aus. Die Dörfer sind noch sehr DDR-lastig – incl. noch bestehender LPGs. Es gibt keine Neubaugebiete.

In Kroppenstedt lege ich eine kurze Dorfrundfahrt ein. Fast alle Dörfer heißen hier aber „Stadt“ – mit kaum 1000 Einwohner. Weiter geht‘s auf der jetzt nicht mehr nasch Magdeburg ausgeschilderten L 66 nach Hadmersleben. Dort begrüßt mich ein Zweigwerk von „Syngenta“ mit „Forschung und Entwicklung“ in der Gentechnik. Manche Landwirte fahren mit erstaunlich großen hochmodernen Traktoren durchs Land. Hier gibt es wohl weniger Konflikte mit Testfeldern für genmanipulierte Pflanzen. Syngenta erinnert mich an das Gespräch mit einem leitenden Mitarbeiter des Hauptsitzes in Maintal/Aschaffenburg, den ich in Neuseeland getroffen hatte. Die Firma wird gerade von einem chinesischen Investor aufgekauft.

Am Ortsausgang treffe ich auf die „neue“ B246 von Oschersleben nach Magdeburg. Die Straße wurde verbreitert und umfährt alle Orte auf Umgehungen. Dennoch halte ich in Wanzleben für eine Mittagspause – ein fast ausgestorbener Ort. Gerade mal zwei Geschäfte haben noch geöffnet. Wanzleben ist Kreisstadt für den Landkreis „Börde“. Dieser besitzt inzwischen drei Autokennzeichen: BÖ, BK, WZL.

Die lange steigungsarme Strecke wird von zunehmendem Ostwind begleitet. Die Sonne scheint, die Temperatur steigt auf über 20 Grad. Ca. 10 km vor dem Zentrum treffe ich auf das Ortseingangsschild von Magdeburg. Ich lande schließlich auf der Halberstadter Chaussee, die zunehmend städtische Bebauung aufweist – bis hin zu einer stark frequentierten, zweispurigen Straßenbahnstrecke. Auf einem kurzen Stück begleitet mich ein schwedischer Tourenradler, der vor 20 Tagen in Murcia (Spanien) gestartet ist und jetzt auf dem Weg zur Fähre in Sassnitz ist. Er verweigert – wie ich – die Nutzung der unsäglichen deutschen Radwege. In Frankreich überraschte ihn letzte Woche die Kaltfront mit Schneeregen und Hagel. Eine Woche war er nur nass. Dennoch übernachtet er frei mit seinem Zelt.

Nach längerem Suchen finde ich das voraus gebuchte Appartement „An der Hubbrücke 3“ fast direkt am Elbradweg. Es ist ein hochmodernes Zweibettzimmer mit einem Bad, das ich mit nur einem weiteren Zimmer teile. Nur die Küche dürfen wir –leider – nicht benutzen. Ich bleibe hier zwei Tage.

Eine erste Erkundungsfahrt mit dem Rad führt zum Schauspielhaus und zum NETTO-Markt . Morgen um 20:00 Uhr gibt’s ein Stück von Gogol, modernisiert, unter ukrainischer Regie. Nach einem „Großeinkauf“ im NETTO für 13 Euro ist die Verpflegung für die nächsten beiden Tage gesichert.


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