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10. Tag: Utrecht (Stadt) (0 km)
Do, 11.07.2019


Die Nacht ist ruhig wie in einem Schlaflabor. Man ist völlig von der Außenwelt abgeschirmt. Obwohl 60 Kabinen in dem Raum eingerichtet sind, hört man die Nachbarn so gut wie gar nicht. Etwas schwierig ist allerdings, horizontal über die Matratze nach hinten zu krabbeln, da ich nur das rechte Knie und die linke Hand verwenden kann.

Der Morgen ist – überraschend – sonnig, obwohl wieder Regen und Gewitter vorhergesagt waren. Ich mache mich zu Fuß auf, die Altstadt zu erkunden. Nur weinige Schritte vom Bahnhof beginnt der historische Teil, der komplett von einer breiten Gracht umringt ist. Ich strebe dem höchsten Turm der Stadt zu. Er gehörte zur mittelalterlichen Kathedrale, deren Mittelschiff früh zerstört wurde. Die hintere Apsis besteht noch, groß genug, um die Domkirche dort einzurichten.

Im Info-Büro direkt neben dem Turm erhalte ich – freundlich wie immer – einen Stadtplan und Tipps für einen Tagesbesuch. Mein Ansinnen ist aber, das berühmte Eisenbahnmuseum aufzusuchen. Ich schlendere dorthin – entlang kleiner Grachten – vorbei an der historischen Universität und dem Park Lepelenburg. Direkt am Rand der Altstadt liegt das „Spoorweg-Museum“.

Am Eingang begrüßt mich der schön wieder hergerichtete Bahnhof der “Maliebaan“. Dieser wurde schon 1939 stillgelegt. Dahinter finden sich – bunt gemischt – Fahrzeuge aus allen Epochen der niederländischen Eisenbahn. Besondere Attraktion sind zwei Wagen des Regierungszuges mit Büro, Sitz- und Schlafabteil und Konferenzraum. Die frühen Elektroloks kamen aus Frankreich (Alstom), die Dampfloks erst aus England, dann aus Deutschland. Nach dem Krieg entwickelten die Niederländer sehr schön gestaltete Triebzüge, die heute ausschließlich den Personenverkehr bestreiten. Kult ist der „Hondekopp“, dessen Front an die Schnauze eines Hundes erinnert.

Das Museum selbst (Eintritt 17,50 Euro !) ist vor allem ein Vergnügungspark für Kinder mit themengebundenen Shows und fantastischen Kunstwelten vom englischen Bergwerk über die erste Fahrt eines Zuges in Holland (1839) bis zur apokalyptischen Simulation einer Zugfahrt durch alle Erdteile de Welt. Draußen fährt die obligatorische Kindereisenbahn. Die echte Bahn steht – kein Fahrzeug bewegt sich. Es gibt keine stilechten Zugzusammenstellungen wie in englischen Museen – nur bunt zusammengewürfelte Fahrzeuge aller Epochen. Das gilt leider auch für die Fahrzeuge eines Modellbahnsammlers in einer schönen großen, aber chaotisch eingerichteten Vitrine.

Der Rückweg führt an der großen „Oudegracht“ entlang. Überall treffen sich große Gruppen von Angestellten zum Bier oder Abendessen. Außergewöhnlich ist, dass sich diese Gruppen jeweils ein großes Kanalboot mieten, dieses mit Getränken und Essen bestücken (bis hin zu einem funktionsfähigen Gasgrill ) und damit durch die Grachten schippern.


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