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Heute Nacht schlafe ich unruhig. Der Wind nimmt wieder zu, er rüttelt am Dach des Hauses. Ob mich ein Bus mit dem Fahrrad nach Senj oder Rijeka mitnimmt, ist ungewiss.
Schon kurz nach 06:00 Uhr stehe ich auf. Der Himmel ist grau bewölkt. Über den Bergen hängen Schneeschleier. Nach den Einpacken und dem Frühstück bin ich um 08:00 Uhr startklar. Draußen herrscht ein eisiger Nordwind, der Schneeflocken vor sich her treibt. Sie tauen auf der Straße aber sofort auf.
Eigentlich ist es zu früh, um mich von Familie Kir zu verabschieden. Beide begrüßen mich noch im Schlafanzug, als ich klingele. 50 Euro möchte Frau Kir für die beiden Nächte im Appartment, vor zwei Jahren waren es 40 Euro. Es ist immer noch günstig.
Zuerst schiebe ich wieder auf die Höhe der N 8. Auf den Serpentinen bläst mir der Nordwind entgegen, allerdings ohne mich umzureißen - wie vor zwei Tagen. Ich habe zum Glück die Winterausrüstung dabei, inklusive der gepolsterten Skihandschuhe. Der Anorak ist wieder fest über der Mütze verzurrt. So prallen die Schneeflocken ab, bevor sie schmelzen können.
Die Fahrt nach Senj geht ziemlich genau nach Norden, also fast immer gegen den Wind. Zudem steigt die Straße sanft, aber unaufhörlich weiter. Ich habe eine grandiose Weitsicht auf die der Küste vorgelagerte Inselwelt, die teilweise sogar von der Sonne bestrahlt ist, während am Berg und auf der Straße Schneegriesel angesagt ist. Zum Fotografiren komme ich eher nicht, weil ich dann das Rad ungeschützt dem Nordwind aussetzen müsste. Ich will kein Risiko mehr eingehen.
Meine Hoffnung ist, dass ich in Senj am Fahrkartenbüro erfahre, ob und wenn ja welcher Bus ein Fahrrad nach Rijeka mitnimmt. Dort haben die Fernbusse meist auch einen längeren Aufenthalt. Das konnte ich vor zwei Jahren beobachten.
Die rasante Abfahrt von der Höhe fällt heute aus, weil der Nordwind den Hangabtrieb kompensiert. Auch abwärts muss ich meist mittreten. Immerhin fahre ich jetzt wieder auf Meeresniveau. Der Nordwind hat hier unten weniger Biss, wirkt nur noch direkt an der Wasserkante. Viele kleine Steigungen nerven trotzdem.
Ich beschließe 5km vor Senj noch Mittagspause an einer verlassenen Badestelle einzulegen. Dabei sehen mich zwei Schweizer Radler und halten für ein kurzes Gespräch. Auch sie wollen bis nach China (!) radeln, sind jetzt erst zwei Wochen unterwegs.
Die letzten Kilometer sind dann schnell zurückgelegt. Am Ortseingang von Senj halte ich sofort beim Fahrkartenbüro von "Autotrans" und frage nach einem Bus mit Fahrradmitnahme. Ja, um 13:15 Uhr - also in 15 Minuten (!) fährt einer nach Rijeka. Er kommt etwa 10 Minuten früher an. Angesichts der bangen Überlegungen der letzten Tage beschließe ich, jetzt auf Nummer sicher zu gehen und die letzten 70 km nicht mehr zu radeln. Das kostet 70 Kuna für mich und 40 Kuna fürs Rad. Ich darf mein Gepäck selbst im völlig leeren Laderaum des Buses verstauen und sitze 15 Minuten später im warmen Bus - eine überraschend wunderbare Fügung.
In Rijeka kenne ich mich aus und finde - vom Busbahnhof kommend - sofort die Jugendherberge, die etwas außerhalb im Süden der Stadt liegt. Sie ist fast leer. Mehrere Hostels haben in der letzten Zeit direkt in der Innenstadt eröffnet. Ich bekomme ein Viererzimmer für mich allein - für 142 Kuna pro Nacht. Der Einkauf führt mich wieder zum LIDL beim "Tower Center". Vor allem Getränke fehlen. 3 Liter Wasser, 2 Liter Saft und 2 Liter Cola helfen weiter.
Im "Cineplex" gibt es wieder eine große Auswahl aktueller Filme für weniger als 5 Euro. Ich entscheide mich für den neuen Kultfilm "Fifty Shades of Grey", um 22:25 Uhr. Nachdem ich meinen Einkauf im Hostel abgeliefert und ausführlich gemalt habe, geht’s zu Fuß wieder zurück zum "Tower Center". Im kleinen Saal (für ca. 100 Besucher) sind nur vier Interessierte.
Anastasia Steele ist brave Studentin der englischen Literatur in Portland. Sie lernt den jungen Unternehmer Christian Grey bei einem missglückten Interview für eine Frauenzeitschrift kennen. Der erkennt in ihren ungeschickt unschuldigen Verhalten das Potential, sie zu seiner gefügigen Geliebten zu machen.
Nach langen Diskussionen lässt sich Anastasia auf die Wünsche von Christian ein - nicht ohne ihn selbst zu mehr Offenheit ihr gegenüber zu zwingen. Dies geschieht durch einen selbst bestimmten "Vertrag" zwischen beiden, der jederzeit den Ausstieg ermöglicht. So endet der Film dann auch mit einem wortgewaltigen "NO" von Anastasia.
Dakota Johnson, die Tochter von Don Johnson und Melanie Griffith, vollzieht faszinierend den Wandel von der Studentin, die nebenbei noch ihren Abschluss macht, zur Geliebten des Christian Grey, der sie in eine völlig andere Welt einführt. Das könnte eine "Aschenputtel"-Erzählung sein, endet aber mit der selbst bestimmten Trennung Anastasias von ihrem Traumprinzen. Eigentlich handelt der Film so vom Erwachsenwerden - auch bei Christian, der sich weit mehr auf Anastasia einlässt als bei seinen 50 (!) vorherigen Geliebten.
Es wird spät an diesem Tag, der so voller Befürchtungen beginnt und so grandios endet.
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