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26. Tag: Anogia - Nida-Ebene (46 km)
Do, 28.09.2006


Ich starte um 8.30 Uhr zur Bergtour in die Nida-Hochebene. Zuerst führt die Straße steil aus dem Ort hinaus, dann in langen Serpentinen aus dem Tal heraus. Dabei wird der Blick frei bis hin zum Meer zwischen den Bergrücken. Über Heraklion liegt eine braune Dunstschicht.

Ich erreiche ein karges Hügelland. Dieses wiederum verlasse ich in einem zweiten Anstieg. Dabei überrascht mich ein heftiger Regenschauer. Mein Regencape tut gute Dienste. Nach weiterem Auf und Ab erreiche ich den Rand der Nida-Ebene. Wie eine fruchtbare Oase in einem Mondkrater erscheint diese Ebene vom Rand der begrenzenden Berge. Die Nida-Ebene ist - wie die Lassithi-Ebene - auf allen Seiten von Bergen eingeschlossen. Mir gegenüber erhebt sich das Psilorithis-Massiv, ein karges Kalksteingebirge mit dichter Dornenmacchia, ohne einen Baum. Ich folge der Straße bis zur Taverne am Ebenengrund. Hier beginnt ein kurzer Fußweg zur Höhle Ideo Andro. Der Eindruck von dieser Höhle ist enttäuschend. Der Eingang gleicht eine Schutthalde, unten verrotten alte Bretterstege, die Seitenhöhlen sind nicht beleuchtet und nicht begehbar. Ein paar abgebrochene Stalaktiten sind alles, was an eine Kalksteinhöhle erinnert.

Ich versuche den Aufstiegsweg zum Psilorithis zu finden. Nach einigem Suchen finde ich auch die ersten Steinmännchen am Wegesrand und folge ihnen am Hang aufwärts. Ein schöner Platz lädt zur Mittagspause ein, mit Blick auf die Ebene. Der Weg verliert sich ab hier leider im Macchia-Gestrüpp. Der Bergweg ist nicht mehr von Schafspfaden zu unterscheiden. Nach einstündiger, vergeblicher Suche im Geröll der Macchia gebe ich auf. Der Berg verweigert sich. Einem alten Saumpfad folge ich zurück zur Taverne, wo mein Fahrrad zurückgeblieben ist.

Zunächst muss ich aus dem Talkessel wieder den Bergrand erreichen. Heftiges Gewittergrollen über dem Psilorithis verheißt nichts Gutes. Auf halbem Weg überrascht mich ein kräftiger Hagelschauer. Das erinnert mich an die Ätna-Wanderung mit Gewitter und Eisregen. Nach wenigen Minuten ist alles vorbei. Ich kann weiterfahren, ein zweiter Schauer am Beginn des langen Abstiegs erzeugt einen wunderschönen Regenbogen, da die Sonne im Rücken steht. Bis auf meine Strümpfe ist, bis ich in Anogia bin, die Kleidung wieder trocken.

Ein abendlicher Spaziergang durch das Dorf ermöglicht unheimliche Beobachtungen. Fast alle Männer sitzen in den Kafenions, meist martialisch und schwarz gekleidet. Einige haben ein schwarzes Tuch um den Kopf geschlungen. Dabei schlenkern sie ein Bändchen mit mehr oder weniger Holzkugeln. Die alten Frauen, ebenfalls ganz in schwarz, räumen heute früher als gestern ihre Andenkenläden ein.

Beim Laufen über die Treppenwege sehe ich Wohnungen, die oft nur aus einem Kellerraum mit verglaster Tür bestehen. In einer Nische des Raumes steht eine Spüle mit Gaskocher. Im gleichen Zimmer steht das Bett und ein dauernd laufender Fernseher.


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