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11. Tag: Montag, 7.11.2002
Bagnara - Goia Tauro


Der Tag des Unfalls

Ich komme früh aus den Federn. Nach dem selbstgemachten Frühstück bin ich um 8:30 Uhr wieder auf der Piste (SS18). Ein heftiger Westwind bringt wechselnde Wolken aber zunächst keinen Regen. Ich kann die Abfahrt über die vielen Höhenmeter, die ich gestern hoch geschoben habe, genießen. Der Verkehr ist wesentlich stärker als gestern. In Palmi schießen an den Kreuzungen Fahrzeuge unaufmerksam in meinen Fahrweg. Als Radfahrer wird man in dem Gewühl leicht übersehen - aber meine Bremsen funktionieren ja gut...

Am Ortseingang von Goia Tauro kommt der Fotostandort, den ich vom Eisenbahnmagazin kenne. Von der Straßenbrücke aus kann man die parallel führenden Brücken der Normalspurbahn FS und der Schmalspurbahn FC fotografieren. Ich wechsle dazu - wie schon hundert Mal - die Fahrbahnseite, kein Gegenverkehr, hinter mir genügend Abstand zum nächsten Fahrzeug. Ich bin schon auf der linken Spur, da fühle ich, wie mich von hinten jemand vom Rad schiebt. Das Rad kippt, beim Fall erhalte ich noch einen Stoß von hinten, der meinen Sturz beschleunigt. Ich rolle über das Gesäß auf den Rücken. Leicht schlägt auch der Kopf auf die Fahrbahn auf.

Zunächst weiß ich nicht, wo unten und oben ist. Der Gleichgewichtssinn braucht einige Sekunden, um sich wieder zu orientieren. Ich spüre merkwürdigerweise keinen Schmerz. Dennoch wird mir bewusst, dass dies das Ende meiner Radtour sein wird. Ein älterer Herr (50 - 60) redet auf mich ein, wieso ich nach links gefahren sei. Ich brauche einige Zeit, um mir die Lage bewusst zu machen: Ein FIAT Panda (RC 363051) wollte mich wohl trotz meiner Fahrt zum linken Straßenrand noch links überholen. Erst im letzten Augenblick bremst er, erwischt mich aber dennoch von hinten.

Der blockierte Verkehr auf der Gegenfahrbahn fängt schon an zu hupen. Wir heben gemeinsam das Fahrrad auf und stellen es an den linken Straßenrand. Ohne sich weiter um mich zu kümmern, steigt der ältere Herr wieder ein, fährt mit Warnblinkanlage noch einige Meter am linken Rand, setzt dann aber seine Fahrt in Richtung Goia Tauro fort.

Ich stehe wohl etwas verloren am Straßenrand, als mir ein Lieferwagenfahrer zu helfen versucht - ob ich den Unfall der Polizei melden wolle. Nach einiger Zeit der Regeneration - die linke Hüfte ist geschwollen und ganz taub - stelle ich fest, dass am Fahrrad lediglich die Vordergabel nach links weggedrückt ist. Das Rad ist also im Prinzip fahrfähig. Ich folge dem Lieferwagen zur Polizeistation. Dort bittet man mich aber, zuerst zum 400 m entfernten Krankenhaus zu gehen.

In der Notaufnahme werde ich begutachtet - die geschwollene Hüfte wird lediglich mit einer Schmerzspritze behandelt. Erst auf meine Bitte hin, auch auf innere Verletzungen und Knochenbrüche untersucht zu werden, verweist man mich weiter in die Röntgenabteilung. Nach kurzem Warten werden Großaufnahmen vom gesamten Becken und der Wirbelsäule gemacht - zum Glück ohne Befund. In der Orthopädieabteilung schließlich wird das Bein noch auf Beweglichkeit getestet, auch ohne Befund. So werde ich mit einem Rezept für eine Prellungssalbe und für Schmerztabletten entlassen - natürlich mit dem Hinweis, ich solle vorerst nicht mehr allzu viel Rad fahren.

Auf der Herfahrt zur Polizei hatte ich in der Hauptstraße ein Hotel gesehen. Dorthin fahre ich zuerst, um mein Gepäck und das schiefe Fahrrad los zu werden. Das ursprünglich 60 Euro teure Zimmer bekomme ich für 30 Euro. Zu Fuß gehe ich zur Apotheke. Die erste macht gerade Ferien, die zweite kann mich bedienen: Voltaren-Salbe für 7.95 Euro. Direkt vor Ort salbe ich die Hüfte, damit die Schwellung zurückgeht.

Auf dem Rückweg komme ich an einem kleineren Privat-Hotel vorbei, das Zimmer ab 22 Euro vermietet. Leider kann ich dorthin erst morgen umziehen.

Am Bahnhof fährt um 12:30 Uhr gerade ein Triebwagen der FC nach Cinquefrondi, der letzten größeren Strecke von hier aus. Für 3,40 Euro gönne ich mir eine Hin- und Rückfahrt. Die Strecke führt zwar nur auf 300 m hoch. Der alte BREDA-Triebwagen ist unterwegs knallvoll mit Schülern. In den Bergen herrscht heftiger Dauerregen. Ich fahre im gleichen Zug wieder zurück.

Zurück in Goia im Hotel Mediterranea gönne ich mir erst einmal eine Ruhepause. Um 17:00 Uhr suche ich nach einem Fahrradhändler, der die Gabel wieder richtet. 400 m vom Hotel finde ich eine Mopedwerkstatt - der Mechaniker ist aber erst morgen wieder da. So kaufe ich noch ein fürs Abendessen und fahre runter zum Strand. Aus dem Hafen läuft gerade ein riesiges Containerschiff aus. Im Westen sehe ich noch die letzten Sekunden des Sonnenuntergangs um 18:30 Uhr.

Auf dem Rückweg nehme ich noch ein gegrilltes Hähnchen mit, so dass wenigstens das Abendessen ein Genuss wird. Eigentlich hätte ich ja heute in Tropea übernachten wollen. Vielleicht besuche ich es morgen mit der Bahn...


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