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Über die Anden nach Chile


Es ist geschafft..., die Anden sind überquert. Aber der Reihe nach:

Mein letzter Bericht aus Mendoza befasst sich noch mit der Duchquerung niedrigerer Gefilde. Nach drei Tagen Erholungspause dort geht es am Mi, 13.12. auf die erste Etappe nach Potrerillos (1400m). Leider ist die bestehende Talstrasse wegen eines Dammbaus gesperrt, sodass ein Umweg von 25 km und eine Passhöhe von 1700m zu bewältigen sind.

Schon die Zufahrt auf die Anden bringt beeindruckende Bilder aus der Ebene. Hinter der Reihe der trockenen Karstberge türmen sich schneebedeckte 5000er auf. Die Strasse (RN 7) ist zwar die Hauptverbindung zwischen Argentinien und Chile. Dennoch sind auf den Fotos meist keine Autos zu sehen...

Am Abend suche ich den ACA-Campingplatz auf und bin dort - wie immer - allein. Erst nach Einbruch der Dunkelheit kommt ein junger Engländer dazu, den ich schon aus der JH in Mendoza kenne.

Der nächste Tag ist Pausentag, mit einem Ausflug in die umliegenden Berge (bis 2100 m) über einen Bergweg, der jeweils zu Beginn und zu Ende mit einer Flussdurchquerung beginnt und endet. Besonders der Endpunkt mit 40 cm reißendem Bergwasser ist eine echte Mutprobe. Zum Glück kann ich mich am Fahrrad abstützen, das bis zur Kette im Wasser steht.

Die nächste Etappe führt nach Uspallata. Das Tal dorthin erinnert an einen amerikanischen Canyon. Heftiger Rückenwind schiebt mich bergauf (auf 1900 m). Trotz Nieselregen am Morgen, klart es gegen Mittag auf und ist dann wieder sehr heiß.

Dort leiste ich mir ein einfaches Hotel (für 12$). Der nächste Tag dient wieder der Akklimatisation mit einem Ausflug auf 2500 m. Von dort hat man ein unbeschreibliches 360-Grad-Panorama mit allen Farben, die Felsen haben können. Das Tal selbst weitet sich zur fruchtbaren Hochebene. Kein Wunder, dass hier schon vor 8000 Jahren Menschen gesiedelt haben und die alte Inkastraße (von Peru nach Chile) durch dieses Tal führte. Reste von Steinzeichnungen erinnern an die Inka-Kultur in diesem Tal.

Der Sonntag (17.12.) dient dann dem Aufstieg auf fast 3000 m nach Puente del Inca. Das Tal besitzt bereits Kennzeichen eines ehemaligen Gletschertales mit hohen Seitenmoränen über die die Strasse abwechselnd führt. Bei diesem ständigen bergauf und bergab merkt man den Aufstieg kaum. Bei den letzten 15 km erschwert jedoch heftiger Gegenwind den Aufstieg.

Am Ziel komme ich in einem Bergsteiger-Refugio im alten Bahnhof unter (12.50$). Von hier starten die Acongagua-Expeditionen auf den höchsten Berg der Anden (6900m). 12 Tage dauert der Aufstieg wegen der Anpassung an die große Höhe. Dabei muss das Gepäck auf die verschiedenen Lagerstufen hochgetragen werden. Man kann dazu für die ersten Etappen auch Maultiere mieten.

Entsprechend international ist das Publikum. Allerdings treffe ich dort auch einen Holländer in meinem Alter, der auch 7 Wochen mit dem Fahrrad durch Chile und Argentinien unterwegs ist.

Der nächste Tag dient wieder Vorbereitung auf die Passüberquerung. Den Scheiteltunnel (auf 3200 m) dürfen Radfahrer nicht durchfahren. Dafür hat die Tunnelgesellschaft einen Kleinlaster bereitgestellt, auf den das Fahrrad verladen wird.

Auf dem Rückweg besuche ich noch den Eingang zum Acongagua-Nationalpark und mache Pause am Lag. de Horcones auf 3000m mit fantastischen Blick auf die Gletscher des Acongagua-Massivs zwischen blühenden Almwiesen (auf 3000 m(!!)).

Am Di wird es ernst: die Andenübequerung. Wie am Vortag sind die letzten 500 Höhenmeter in 2 Stunden geschafft. Allerdings kommt noch die argentinische Ausreise hinzu. Der Tunnel-LKW ist schnell zur Stelle, nach 10 Minuten bin ich in Chile.

Der Abstieg dort ist allerdings anders als der Aufstieg in Argentinien abenteuerlich steil. Das Tal ist sehr karg und vegetationslos. Der Schnee zieht sich noch weit ins Tal hinunter. 28 Serpentinen führen abwärts. Nach ca. 60 km erreiche ich Los Andes (900m).

Vorher müssen jedoch noch die chilenischen Einreisekontrollen erledigt werden: Einreisekarte ausfüllen, Visumstempel im Pass, Zollkontrolle und Lebensmittelkontrolle (!). Für "vebrüderte" Staaten ziemlich aufwendig.

Kurz vor Los Andes begegne ich Jaime auf seinem Rennrad. Ich frage - wie üblich - nach einem preiswerten Hotel im Ort. Daraufhin lädt er mich spontan nach Hause zu sich ein.

Seine Frau und seine vier Kinder sind nicht schlecht überrascht über den Gast aus Alemania. Die Aufnahme ist sehr herzlich. Man erinnert sich an zwei deutsche Backpacker, die Jaime schon einmal (vor 13 Jahren) bei sich aufgenommen hat und die noch immer Weihnachtsgrüße schreiben...

Ich werde zu einer Stadtrundfahrt (im Geländewagen) eingeladen und zum "Asado" am Abend. Es gibt soviel gegrilltes Fleisch, wie ich schon seit Jahren nicht mehr gegessen habe, dazu Tomaten- und Kartoffelsalat. Ich schlafe in einem der beiden leerstehenden (!) Häuser der Familie. Am nächsten Morgen gibt es noch ein kräftiges Frühstück mit Eiern von den eigenen Hühnern...

Die Tagesetappe nach Santiago wird anstrengender als gedacht. Zuerst geht es wieder aufwärts (ca 500 Höhenmeter) bis zu einem Tunnel (gleiches Verfahren wie beim Passtunnel). Dann folgt heftiger Gegenwind. Der Tag ist schwülheiss. Die Straße allerdings entschädigt: durchgehend vierspurig, sodass gefährliche LKW-Kontakte ausbleiben. (Trotzdem überholt zweimal genau bei der Vorbeifahrt bei mir ein weiterer LKW.)

Die Einfahrt nach Santiago bringt den üblichen Verkehrsstress: Die Straße wird wieder zweispurig, Busse, Taxis und Lokalverkehr vedichten sich zu durchgehendem Stau, der sich von Ampel zu Ampel quält.

Zum Glück hatte ich in B.A. eine Information über die neue JH in Santiago mitgenommem, sodass ich diese jetzt gezielt ansteuern kann. Jaime hat mir am Morgen noch die genaue Zufahrt auf seinem Stadtplan von Santiago gezeigt. Trotz nur 90 km bin ich fast 9 h unterwegs.

Die JH ist sehr grosszügig ausgestattet, mit Freigelände und eigenem SB-Restaurant für 5450 $ (chilenische Pesos, dividiert durch 250$/DM). Zum erstenmal brauche ich meine JH-Mitgliedskarte.

Heute ist Stadtrundang (zu Fuß). Die Menschen hier sind im gleichen Weihnachtsstress wie bei uns. Überall werden Weihnachtsgeschenke gekauft. Ganze Marktgelände mit kleinen Ständen haben sich gebildet, um das immer gleiche Angebot von chinesischem Nippes und einheimischer Handarbeit anzubieten.
Zwei "Weihnachtsmänner" (mit echtem Bart) lassen sich mit Kindern auf Schlitten zwischen den Palmen des Hauptplatzes fotografieren.

Am Abend ein wunderschönes Chorkonzert eines hiesigen Kammerchores. Das Programm besteht zur Hälfte aus Bach und Händel, dazu "Oh Tannenbaum" und "Stille Nacht" (auf Spanisch). Am 24.12. gibt es in derselben Kirche Auszüge aus dem "Messias"... Der Kontrast zwischen diesem Weihnachtskonzert und dem lärmenden südamerikanischen Sommer in den Straßen könnte kaum größer sein.


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