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in Kalifornien 15.8.2003
Liebe Reisegemeinde,

seit meiner letzten Mail aus North Bend ist nun geraume Zeit vergangen.Meist hatte ich nicht die Zeit in den großen Sädten zu mailen - oder die Bibliothek war gerade geschlossen.

Ich bin jetzt in Fort Bragg an der kalifornischen Pazifikküste und muss einen Tag Zwangspause einlegen, weil - wie schon so oft - die erste Speiche des Hinterrades gebrochen ist. Bei der sehr genauen Einstellung der Bremsen bedeutet dies dauerndes Intervallbremsen. Deshalb musste ich zum hiesigen Bike Shop, der mir das Hinterrad für 20$ wieder gerichtet hat. Außerdem habe ich die Zwangspause genutzt, einen Ausflug mit dem "Skunk Train", dem Museumszug, der auf dem letzten Schienenrest hier an der Pazifikküste verkehrt, zu unternehmen. Er fährt mit komfortablen Museumswagen aus den 50er Jahren über eine romantische Talstrecke mit sehr engen Radien. Ich wurde an die Berninabahn erinnert. Auch hier gibt es den offenen Aussichtwagen, um Natur und Bahn ungehindert zu genießen.

Die Stationen bis hierher waren wieder - bis auf Bandon und das Redwood Hostel bei Klamath - ausschließlich Campingplätze, die Städte habe ich meist nur kurz besichtigt und zum Proviant fassen genutzt. Die Route verlief durch folgende Städte: North Bend - Bandon - Port Orford - Gold Beach - Crescent City (CA) - Klamath - Orick - Trinidad - Eureka - Scotia - Redcrest - Garberville - Leggett - Fort Bragg.

Die Route folgte weitgehend der US 101, ab Leggett dann auf der CA No 1, der berühmten Shoreline Highway Kaliforniens. Wo immer möglich, zeigt der Lonely Planet Führer jedoch Nebenrouten, auf denen man dem zum Teil heftigen Verkehr entkommen kann. Vielfach ist die 101 hier bereits als Freeway (= Autobahn) ausgebaut. Trotz des breiten Seitenstreifens kostet das insbesondere bei den Brems- und Beschleunigungsstreifen Nerven, die ich ja immer überqueren muss. Die CA No 1 dagegen ist eine großenteils schmale Nebenstraße ohne viel Verkehr, dafür mit beeindruckenden Küsteneinsichten. Insgesamt nehmen die Steigungen heftig zu. Die Route führt in ständiger Berg- und Talfahrt über die Landrücken, die quer zum Pazifik münden. In den Seitentälern gehts dann wieder auf Null runter.

Eine besonders bergige Geschichte war die "Seven Devils Road", die ich unmittelbar nach der letzten Mail angegangen bin: eine gut asphaltierte Holzabfuhrstraße über weitgehend gerodete Bergrücken mit schöner Sicht über das grüne Hinterland - aber siebenmal steil rauf und runter. Zur Belohnung habe ich mir in Bandon in der ehemaligen JH ein Bett für 20$ geleistet. Den jungen Mann aus Chicago, der mit dem Rad bis hierher gekommen ist und noch nach S.F. will, habe ich später noch einige Male wieder getroffen. Er schläft am liebsten in einer Hängematte zwischen zwei Bäumen.

Höhepunkt des nächsten Tages war die Port Orford Coast Guard Station mit einem weiten Blick über die Küste Oregons. Die Wanderwege dort erinnern an die Klippenwege in Cornwall...

Die nächsten Tage bescherten noch einige Höhepunkte an der Küste, z.B. die "Natural Bridge" eine Klippenformation, die einen offenen Bogen bildet und dennoch von allen Seiten vom Wasser umtost wird. Die Abende konnte ich meist beim Sonnenuntergang am Strand genießen.

Am Freitag, 8.8. kam dann der Tag der Grenzüberschreitung nach Kalifornien. Den denkwürdigen Augenblick hielt ein Sportradfahrer fest, der gerade neben mir unterwegs war. Überhaupt habe ich jetzt öfter Bilder, auf denen ich auch selbst drauf bin... Crescent City diente als Rast vor dem steilen Aufstieg zur Redwood JH. Ein wunderschöner Park ist dort entstanden, wo eine "Tsunami" - Welle 1964 die tiefergelegenen Stadtteile zerstört hat. Sie resultierte aus einem Erdbeben bei Alaska.

Die Redwood JH liegt total abgelegen an der 101 und ist ein Geheimtip für Pazifikküstenfahrer. Eine so angenehm gemütliche Atmosphäre habe ich noch nirgends erlebt. Nicht verwunderlich, dort auch andere Deutsche zu treffen, z.B. den Ingenieur bei Siemens, der für die Inbetriebsetzung des neuen Neitec-Diesel-ICE BR 603 zuständig ist. Er ist nach dem ganzen Stress mit dem pannengeplagten Fahrzeug jetzt für 5 Monate auf Weltreise, seinen angestauten Urlaub abzubauen.

Immer öfter ist die Straße jetzt von Redwood-Bäumen gesäumt, zumindest von denen, die die Lumber Companies in den 30er Jahren haben stehen lassen...
Deshalb ist es ein Glück, dass bald danach wenigstens einige Bereiche zum State Park erklärt wurden, um die Restbestände zu bewahren. Einen ersten Eindruck gibt der Prairie Creek Redwoods State Park, durch den die alte 101 als "Park Avenue" radfahrerfreundlich geblieben ist. Ganz besonders beeindruckend ist aber die 40 Meilen lange "Avenue of the Giants" zwischen Scotia und Garberville. Auch hier ist für die 101 eine neue Freeway angelegt worden und die alte Straße schlängelt sich im Dämmerlicht zwischen den bis zu 100 m hohen Baumriesen entlang. Im Hiker Biker Campground (kostet in CA nur 2$) lerne ich Manfred kennen, einen Deutschen aus Bad Hersfeld, der schon in den 60igern ausgestiegen ist und nach verschiedenen Abenteuern jetzt in LA eine eigene Firma besitzt. Mit ihm kann ich einen ganzen Abend über USA, Deutschland und Weltreisen philosophieren. Er ist schon 66 und trotzdem immer mal wieder mit dem Rad allein auf Trekking-Tour.

Ein Defekt an der Schaltung zwang mich in Eureka zum vorzeitigen Zwischenstopp. Der dortige Bike Shop konnte das Problem jedoch innerhalb einer halben Stunde lösen. Dafür hatte ich Gelegenheit die schönen Häuser dieser Stadt einen Nachmittag lang zu bewundern.

Morgen gehts also weiter nach Point Arena bzw. zum Manchester Beach State Park.

Viele Grüße

Joachim


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