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Um 7:00 Uhr werde ich wach. Es ist alles sehr ruhig - im Gegensatz zu gestern Abend, wo das benachbarte Restaurant die Stadt mit Radiomusik beschallt hat. Ich könnte weiter schlafen - aber die nächste Etappe nach Assos ruft (über 100 km !). Um 8:00 Uhr trudeln auch die Besitzer ein, so dass ich die 10 Ytl. für den Zeltplatz bezahlen kann.
Zuerst muss ich 5 km wieder zurück zur Hauptstraße fahren. Der folge ich nur kurz bis zur Abzweigung nach Bozcaada. Die Straße führt zunächst zum Fähranleger auf dem Weg zu dieser türkischen Agäis-Insel. Beeindruckend ist der breite Fluss, der die Ebene bei Troja durchfließt. Ich überquere ihn auf einer neuen, breiten Beton-Brücke. Jetzt im Sommer ist der Fluss nur noch ein kleines Rinnsal. Das meiste Wasser wird kurz vor der Brücke gestaut und zur Feldbewässerung genutzt. Es gibt wieder Reisfelder.
Die Straße verläuft oft direkt an den kleinen Küstenorten entlang. Diese bestehen zum großen Teil aus Ferienhäusern und Ferienwohnungen, die jetzt - am ersten Ferienwochenende in der Türkei - meist sogar bewohnt sind. In Geyikli, wo die Straße aus Ezine einmündet, kaufe ich Wasser und Brot im örtlichen Supermarkt - eher Bäcker. Bis zum Meer sind es noch 4 km. Dort ist aber alles in privater Hand. Die Ferienhaus-Resorts sind abgezäunt. Dennoch traue ich mich, auf einer Bank in einem solchen privaten Park das Mittags-Picknick zu beginnen. Ein Bewohner spricht mich wohlwollend an - ich könne ruhig bleiben. Er spricht Deutsch, weil er seit 50 Jahren in Köln lebt und dort gearbeitet hat. Jetzt gibt er Sprachkurse für die Arbeiter-Wohlfahrt. Zum Willkommen werde ich mit einer großen Schüssel gekühlter Melonenschnitze beglückt. Mein Gönner warnt mich noch, dass in den nächsten Tagen Temperaturen von über 40 Grad Celsius erreicht werden.
Ich trolle mich - ohne Mittagsschlaf - langsam in die Sonnenglut. Die Straße ist meist schattenlos - die Sonne hat ihren Höchststand erreicht. Die meisten Menschen bewegen sich nur träge zum Strand oder umgekehrt. Keiner außer mir kommt auf die Idee, jetzt Rad zu fahren. Die entgegen kommenden Mopedfahrer schauen eher bedauernd zu mir herüber.
Auf den Feldern wächst alles, was gut und teuer ist: Tomaten, Paprika, Bohnen, Erbsen. Verzweifelt versuchen die Bauern, mit alten Wasserpumpen ihre Pflanzen vor dem Austrocknen zu retten. Aus alten Grundwasser-Brunnen wird eine Tröpfchen-Bewässerung bedient. Zum Teil stinkt das Wasser faulig. Das wenige Wasser, das die Bäche jetzt noch führen, stinkt nach gegorenen Abfällen. Viele Straßenbrunnen sind ausgetrocknet. Der Wassertransport in Tanks und Kanistern wird bei vielen Bauern zur Hauptaufgabe.
Meinen Mittagsschlaf hole ich auf dem Bürgersteig vor einen vornehmen Haus in Babadereköy nach. Jetzt folgt noch eine anstrengende Etappe mit mehreren Bergrücken. Höhepunkt ist der Aufstieg nach Gülpinar. Hier möchte ich für heute pausieren - es ist schon 18:00 Uhr. Alle, die ich frage, verweisen auf Babakale in 9 km Entfernung, um ein Hotel zu finden. Diese Straße schlängelt sich an der Steilküste entlang - mit vielen Aufs und Abs. Dabei bin ich mit meinen Kräften eigentlich schon am Ende. Bei den abrupten Abstiegen geben jetzt auch noch die Bremsen auf - beide schleifen metallisch auf der Felge.
Mit letzter Kraft erreiche das Motel(!) "Uran" am Hafen von Babakale. Die Straße endet hier. Immerhin fahren täglich auch Kleinbusse bis hierher. Für 30 Ytl. bekomme ich ein Zimmer mit Frühstück und Klimaanlage. Die genieße ich heute nach der Hitze des Tages besonders.
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