Liebe Leser,
die letzten beiden Tage waren der Stadtbesichtigung gewidmet: Meknes und Sale.
Am Samstagmorgen fährt um 7:20 Uhr ein Schnellzug nach Meknes. Er kommt
bereits aus Marrakech - und ist auf die Minute pünktlich. Mit französischer
Hochleistungslok bespannt, rauscht ein für 160 km/h zugelassener Intercity mit
modernen vollklimatisierten Wagen in den Stadtbahnhof von Rabat.
Zunächst geht es stockend durch die Vorstädte bis Kenitra. Dann wird aber
bis Sidi Kacem auf 160 km/h beschleunigt. Eine zweigleisige Neubaustrecke hat
die ehemals eingleisige abgelöst, Gesamtleitung bei Alsthom. Ab Kenitra
beginnt eine - nach Schweizer Vorbild - elektrifizierte eingleisige Bergbahn ins
knapp 500 m hoch liegende Meknes. Die zweigleisige Neubautrasse ist schon in
Arbeit.
Im Zug komme ich ins Gespräch mit einem marokkanischen Philosophielehrer
für die Oberstufe. Er klärt mich über Bildungschancen in Marokko auf:
Französisch ist für alle 2. Fremdsprache ab der dritten Klasse. Die Privatschulen
fangen damit natürlich schon in der Vorschule an. "Die Reichen können
daher besser Französisch..." Auf dem Land fehlt es an Lehrern, obwohl genügend
da sind. Sie können aber nicht bezahlt werden. Daher also die bereits
vormittags herumlungernden Kinder in den Dörfern. Das Land sei in einer
Wirtschaftskrise. Die Sozialisten haben jetzt die Mehrheit im Parlament. Da gebe es
Umstellungsschwierigkeiten. Deshalb wandern einige illegal nach Spanien aus. Es
gibt "Boat-People" auch auf der Meerenge von Gibraltar. Den gerade aktuellen
Fischereistreit um Fischrechte zwischen Marokko und Spanien sieht er ganz
pragmatisch: "Wenn Spanien keine illegalen Einwanderer mehr will, soll es den
Fischern ihre Arbeit lassen und nachgeben.." Bei dem Gespräch verpasse ich
beinahe den Ausstieg in Meknes.
Meknes ist ein malerisches Bergstädtchen ( zumindest der alte Stadteil).
Sehenswert der Markt mit großem Platz, die reichgeschmückten Eingangstore in
die Medina, eine Koranschule, die man sogar als Christ betreten darf, und
mittelalterliche kaiserliche Vorratshäuser, mit ausgeklügeltem Kühlsystem
(Wasserläufe im Boden und "Gründach", d.h. eine 3 m dicke bewachsene
Lehmschicht über den Gewölben. Das Ganze ist aus Holz und Lehm gebaut...
Ein heftiges Gewitter setzt die Basare der Stadt unter Wasser. Zwar sind
einige überdacht, das Wasser der Regenabläufe sammelt sich aber trotzdem in
den Gassen zwischen und unter den Ständen. Zuletzt quillt aus einem
überlasteten Abflussschacht die schwarze Brühe wieder heraus und läuft zwischen die
Stände... Ich brauche seit langem wieder mein Regencape, um zum Bahnhof
zurückzulaufen.
Heute geht es zuerst in die katholische Kathedrale (Neubau von 1947). Hier
sitzt der Erzbischof von Marokko. Vor einer Woche wurde der bisherige, der 18
Jahre hier ausgehalten hat, abgelöst. "Wir sind Fremde im Land unserer
Gastgeber..." sagt der neue in seiner Antrittsrede. Ein sehr sangesfreudiger
französischer Priester hält einen mitreisßenden Gottesdienst. Die Lesung mit der
ersten Konzilsentscheidung, auch Nichtjuden zur Taufe zuzulassen, passt
ausgezeichnet zum Missionsgedanken der hiesigen Kirche.
Danach suche ich mit dem Fahrrad den mindestens 4 km außerhalb der Stadt
liegenden Busbahnhof. Ein neuer Rundbau setzt einen modernen Akzent. Innen aber
eher bescheiden (im Vergleich zu Argentinien...). Ausgerechnet der Stand der
CTM, mit der ich nach Ludwigshafen fahren will, ist nicht besetzt. Die
verschwisterten EuroLines können keine Auskunft geben. Zumindest kann ich einem
(handschriftlichen) Fahrplan für die nächste Woche entnehmen, dass Mittwoch
der Bus nach Frankfurt fährt.
Zurück und durch Rabat hindurch erreiche ich auf dem anderen Flussufer
Sale. Die Stadt beeindruckt durch gemütliche grüne Plätze - auf einem mache ich
ungestört Mittagspause -, einen sauberen Fischmarkt, an den ein
freundlicher Bazar anschließt. Am Meerufer liegt der gepflegte unübersehbare
islamische Friedhof. Offenbar werden die Gräber hier nicht nach einigen Jahren
aufgelöst.
Zurück in Rabat besuche ich noch das Mausoleum von König Mohammed V, dem
Vater des jetzigen. Es ist eingebettet in die Säulengalerie der geplanten
mittelalterlichen Großmoschee, also im religiösen Zentrum. Bewacht durch
uniformierte, darf man trotzdem den Raum betreten. Er ist ganz im arabischen Stil
nachgebaut.
Das antike Chellah vor den Toren von Rabat beeindruckt durch die Harmonie
von Ruinen und Landschaft. In den (später errichteten) Mauern befindet sich
außerdem eine verfallene Moschee und das Grabmal eines Sultans. Die Bäume und
Mauern werden bevölkert von Scharen von Störchen und Marabus.
Das archäologische Museum der Stadt zeigt beachtenswerte Fundstücke aus
prähistorischer bis römischer Zeit aus allen Ausgrabungsstätten des Landes.
Am sehenswertesten wäre wohl Volubilis bei Meknes. Da komme ich aber nun
nicht mehr hin...
Den Abend beschließt die Mailstunde. Heute ist gmx besonders langsam...
Grüße aus Rabat
Joachim Heidinger
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