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Meknes und Sale So, 20.5.2001
Liebe Leser,

die letzten beiden Tage waren der Stadtbesichtigung gewidmet: Meknes und Sale.
Am Samstagmorgen fährt um 7:20 Uhr ein Schnellzug nach Meknes. Er kommt bereits aus Marrakech - und ist auf die Minute pünktlich. Mit französischer Hochleistungslok bespannt, rauscht ein für 160 km/h zugelassener Intercity mit modernen vollklimatisierten Wagen in den Stadtbahnhof von Rabat.
Zunächst geht es stockend durch die Vorstädte bis Kenitra. Dann wird aber bis Sidi Kacem auf 160 km/h beschleunigt. Eine zweigleisige Neubaustrecke hat die ehemals eingleisige abgelöst, Gesamtleitung bei Alsthom. Ab Kenitra beginnt eine - nach Schweizer Vorbild - elektrifizierte eingleisige Bergbahn ins knapp 500 m hoch liegende Meknes. Die zweigleisige Neubautrasse ist schon in Arbeit.
Im Zug komme ich ins Gespräch mit einem marokkanischen Philosophielehrer für die Oberstufe. Er klärt mich über Bildungschancen in Marokko auf: Französisch ist für alle 2. Fremdsprache ab der dritten Klasse. Die Privatschulen fangen damit natürlich schon in der Vorschule an. "Die Reichen können daher besser Französisch..." Auf dem Land fehlt es an Lehrern, obwohl genügend da sind. Sie können aber nicht bezahlt werden. Daher also die bereits vormittags herumlungernden Kinder in den Dörfern. Das Land sei in einer Wirtschaftskrise. Die Sozialisten haben jetzt die Mehrheit im Parlament. Da gebe es Umstellungsschwierigkeiten. Deshalb wandern einige illegal nach Spanien aus. Es gibt "Boat-People" auch auf der Meerenge von Gibraltar. Den gerade aktuellen Fischereistreit um Fischrechte zwischen Marokko und Spanien sieht er ganz pragmatisch: "Wenn Spanien keine illegalen Einwanderer mehr will, soll es den Fischern ihre Arbeit lassen und nachgeben.." Bei dem Gespräch verpasse ich beinahe den Ausstieg in Meknes.
Meknes ist ein malerisches Bergstädtchen ( zumindest der alte Stadteil). Sehenswert der Markt mit großem Platz, die reichgeschmückten Eingangstore in die Medina, eine Koranschule, die man sogar als Christ betreten darf, und mittelalterliche kaiserliche Vorratshäuser, mit ausgeklügeltem Kühlsystem (Wasserläufe im Boden und "Gründach", d.h. eine 3 m dicke bewachsene Lehmschicht über den Gewölben. Das Ganze ist aus Holz und Lehm gebaut...
Ein heftiges Gewitter setzt die Basare der Stadt unter Wasser. Zwar sind einige überdacht, das Wasser der Regenabläufe sammelt sich aber trotzdem in den Gassen zwischen und unter den Ständen. Zuletzt quillt aus einem überlasteten Abflussschacht die schwarze Brühe wieder heraus und läuft zwischen die Stände... Ich brauche seit langem wieder mein Regencape, um zum Bahnhof zurückzulaufen.
Heute geht es zuerst in die katholische Kathedrale (Neubau von 1947). Hier sitzt der Erzbischof von Marokko. Vor einer Woche wurde der bisherige, der 18 Jahre hier ausgehalten hat, abgelöst. "Wir sind Fremde im Land unserer Gastgeber..." sagt der neue in seiner Antrittsrede. Ein sehr sangesfreudiger französischer Priester hält einen mitreisßenden Gottesdienst. Die Lesung mit der ersten Konzilsentscheidung, auch Nichtjuden zur Taufe zuzulassen, passt ausgezeichnet zum Missionsgedanken der hiesigen Kirche.
Danach suche ich mit dem Fahrrad den mindestens 4 km außerhalb der Stadt liegenden Busbahnhof. Ein neuer Rundbau setzt einen modernen Akzent. Innen aber eher bescheiden (im Vergleich zu Argentinien...). Ausgerechnet der Stand der CTM, mit der ich nach Ludwigshafen fahren will, ist nicht besetzt. Die verschwisterten EuroLines können keine Auskunft geben. Zumindest kann ich einem (handschriftlichen) Fahrplan für die nächste Woche entnehmen, dass Mittwoch der Bus nach Frankfurt fährt.
Zurück und durch Rabat hindurch erreiche ich auf dem anderen Flussufer Sale. Die Stadt beeindruckt durch gemütliche grüne Plätze - auf einem mache ich ungestört Mittagspause -, einen sauberen Fischmarkt, an den ein freundlicher Bazar anschließt. Am Meerufer liegt der gepflegte unübersehbare islamische Friedhof. Offenbar werden die Gräber hier nicht nach einigen Jahren aufgelöst.
Zurück in Rabat besuche ich noch das Mausoleum von König Mohammed V, dem Vater des jetzigen. Es ist eingebettet in die Säulengalerie der geplanten mittelalterlichen Großmoschee, also im religiösen Zentrum. Bewacht durch uniformierte, darf man trotzdem den Raum betreten. Er ist ganz im arabischen Stil nachgebaut.
Das antike Chellah vor den Toren von Rabat beeindruckt durch die Harmonie von Ruinen und Landschaft. In den (später errichteten) Mauern befindet sich außerdem eine verfallene Moschee und das Grabmal eines Sultans. Die Bäume und Mauern werden bevölkert von Scharen von Störchen und Marabus.
Das archäologische Museum der Stadt zeigt beachtenswerte Fundstücke aus prähistorischer bis römischer Zeit aus allen Ausgrabungsstätten des Landes. Am sehenswertesten wäre wohl Volubilis bei Meknes. Da komme ich aber nun nicht mehr hin... Den Abend beschließt die Mailstunde. Heute ist gmx besonders langsam...

Grüße aus Rabat

Joachim Heidinger


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