Liebe Leser,
Seit meinem letzten Bericht vom Mar Minor ist nun wieder fast eine Woche
vergangen. Die spannende und landschaftlich sehr attraktive Fahrt wird durch
zwei Phänomene merklich getrübt:
- den beständigen oft an patagonische Verhältnisse erinnernden Gegenwind
mit gelegentlichen Regenschauern
- und den heftigen Verkehr auch auf den Nebenstraßen - ganz im Gegensatz zu
Argentinien, wo ich oft eine Stunde allein war.
Die Temperaturen liegen am Meer bei 15 bis 18 Grad. In den Sierras fällt ab
2000 m wieder Schnee (!!!). Meine Wintermütze trage ich nun schon seit dem
Dauerregen in Frankreich. Sie ist immer noch nützlich.
Die Küstenstraße wird vielfach von Kollonnen der Gemüselastwagen
bevölkert, die das spanische Frühgemuese nach Norden (auch zu uns) transportieren.
Hier wächst es in Zeltgewächshäusern aus Plastikplanen, die die Ebenen
zwischen den Steilküstenabschnitten bedecken, aber oft auch in die Hänge
gegraben sind. Fast nichts wird hier mehr im Freiland angebaut. Die Samen werden
vorkonditioniert (offenbar auch gentechnisch !).
Dazwischen liegen Städte, die vielfach Ferienwohnungsburgen ähneln. Die
Bautätigkeit geht ungebrochen weiter. Offenbar kaufen mehr und mehr auch
reiche Spanier solche Wohnungen am Meer. Über die Kurzferien zwischen letztem
April-Wochenende und 1. Mai waren sehr viele Autos mit Madrider Kennzeichen
unterwegs.
Rühmliche Ausnahmen gibt es natürlich auch. Dazu gehören kleinere Städte
wie Cartagena und Almunecar.
Weitere Pannen waren der Ersatz des hinteren Schaltzugs. Eigentlich
unproblematisch, wenn mir der erste Fahrradhändler nicht einen um 5 cm zu kurzen
verkauft hätte. So musste ich bis 17:00 Uhr warten, bis der zweite Händler
öffnete, der dann die richtige Länge anbieten konnte.
Heute war wieder mal der hintere Reifen durchgescheuert. Ersatz hatte ich in
Aiguilas besorgt, sodass ich nach 1 Stunde weiterfahren konnte. Beim Demontieren
des Rades habe ich wohl ein Ameisenerdnest zertreten, sodass mir die lieben
Tierchen jetzt über Schuhe und Beine krabbelten. Da half nur die schnelle
Flucht an einen anderen Montageplatz...
Meine nächsten Etappen waren:
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Aiguilas, der Ort, aus dem die LIDL-Tomaten stammen: Nach einer spannenden
Passüberquerung bis in die Dämmerung habe ich den Ort erst 21:15 Uhr
erreicht. Der Anfang wurde durch heftigen Gegenwind behindert bis Cartagena. Dort
konnte ich nur kurz die Altstadt durchqueren. Die weitere Küstenstraße
verläuft jeweils in einem Seitental, das sich schräg von der Küste entfernt und am
Ende über den jeweiligen (bis zu 600 m hohen) Kamm. Dies war zweimal zu
bewältigen, wobei die Passhöhe nicht aus meiner Karte zu entnehmen war. Nur dank
einer rauschenden Abfahrt über ein Stück neue Autobahn konnte ich den Ort
vor Einbruch dr Dunkelheit erreichen.
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Ein kleiner Campingplatz bei Mojacar, einer Touristen-Hochburg der
Engländer. Dies war mein erster Versuch, im Zelt zu übernachten. Dank Schlafsack war
die nächtliche Kälte erträglich.
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Almeria, die Hafenstadt mit der Insider-Verbindung nach Marokko (Melilla und
Nador nahe der algerischen Grenze), in der mir auf offener Straße Haschisch
angeboten wird. Da die JH belegt ist, finde ich wieder in einer Pension in
der sehenswerten Altstadt Unterkunft. Die Außenbereiche im nördlichen
Bereich der Stadt erschienen mir etwas verwahrlost. Südlich beginnt sofort die
Steilküste mit Tunneldurchquerung (spannend auf dem Fahrrad ohne Licht !!!).
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Ein grosser, aber fast leerer Campingplatz bei Castel del Ferro. Dort toste
die ganze Nacht das Meer. Nachts musste ich die Zeltschnüre mit Steinen
beschweren, damit er Wind nicht die Zeltnägel herausreißt.
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Almunecar, ein Kleinod mit vollständig erhaltener mittelalterlicher
Altstadt (erinnert stark an Granada). Zusätzlich gibt es eine phoenizische
Nekropolis, eine römische Wasserleitung und ein arabisches Kastell.
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Malaga, die Groß- und Einkaufstadt an der andalusischen Küste, mit
weltläufiger Fußgängerzone, einer gigantischen Kathedrale (der der zweite Turm
fehlt) und einer Alcazaba. Unangenehme Überraschung war heute Abend beim
Abladen des Fahrrads vor der JH (Preis übrigens 2350 Ptas), dass zwei
aufdringliche Kinder, die mir immerzu "helfen" wollten, beim Reintragen des ersten Teils
des Gepäcks meinen Ersatzreifen fürs Vorderrad geklaut haben. Nun muss ich
morgen zuerst Ersatz beschaffen.
Viele Grüße aus Malaga
Joachim Heidinger
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