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Durch die patagonische Bergwelt


Durch Hölle und Himmel könnte man die letzten zwei Wochen überschreiben. Eine Radreise durch Patagonien hat so ihre Tücken...

Von San Rafael aus unternehme ich einen sehr eindrucksvollen Tagesausflug in den Canon de Atuel. Ein großer Stausee am Ende lädt zum Baden ein. Die Landschaft erinnert stark an den Grand Canon in USA, nur dass man mit dem Fahrrad untendurchfahren kann.

Die nächsten Etappen entlang der Routa 40 führen wieder durch eine pampaähnliche Steppenlandschaft, oft mit schönem Rückenwind, sodass Tagesentfernungen bis zu 140 km möglich sind.

Über El Sosneado erreiche ich Malargüe, einen gepflegten Ort mit Ausgangsmöglichkeiten zu verschiedenen AdventureAusflügen. Einen davon, Höhlenwanderung in den "Cavernas de las Brujas (Hexen)" habe ich dort gebucht bei ¨Santiago¨ wie sich später herausstellt, einem Mitglied der National Geographic Society für seine Verdienste bei der Erforschung dieser Höhle.

Von einem entsprechenden Campingplatz aus (Wildniscamping ohne Strom mit Flusswasserversorgung) startet die Tour im Geländebus zum Höhleneingang auf 1900 m Höhe. Die vier Teilnehmer der geführten Tour werden mit Berghelmen und Leuchten ausgestattet, dann geht's ins Dunkel. Durch schmale Spalten und kriechend durch enge Durchlässe robben wir vorwärts, unter uns immer wieder bodenlose Spalten, über uns die Pracht der Stalagtiten (nur mit Taschenlampenlicht beleuchtet).

Von dort geht's über die 2000m hohe Sierra nach Barda Bianca, am Ufer des ¨Rio Grande¨, der seinem Namen alle Ehre macht. Hierher wird der Straßenzustand schon merklich schlechter. Der Asphalt ist über längere Strecken durch Schotterbelag unterbrochen, keine gute Fahrbahn für ein schwer beladenes Fahrrad. Zum Abschluss dann eine Furt, mit reinem Flusskiesel, also Schuhe ausziehen und durchschieben.

Da der nächste Abschnitt laut Karte ca. 70 km solchen Straßenzustand enthalten soll, kommt mir der Hinweis gerade recht, dass am nächsten Morgen ein ¨Collectivo¨(Kleinbus) über diese Strecke fahren soll. Also schone ich mich und meine Reifen, indem ich den Abschnitt bis Barrancas in einem älteren, klappernden Bus zurücklege, dessen Fahrer aber klaglos Fahrrad und Gepäck auf die Rückbank lädt und mich für 13$ über die 150 km befördert.

Der Naturstraßenabschnitt ist dann zwar doch nur 20 km lang, aber in einem Zustand, den man selbst auf Feldwegen nicht findet, eben eine Bergstraße im Naturzustand.

Von Barrancas will ich am gleichen Tag noch das 40 km entfernte Buta Ranquil erreichen. Gegen 16.00 Uhr setzt ein dermaßen starker Gegenwind (aus Westen) ein, dass die letzten 5 km nur in kleinen Schritten schiebend zurückgelegt werden können. Gegen 18:00 Uhr erreiche ich das Ziel, kann Proviant auffrischen und finde ein günstiges Hotelzimmer(10$).

Am nächsten Tag sind nun 80 km nach Chos Malal geplant. Anfangs ist es fast windstill. Vom Startort geht es zunächst angenehm bergab. Dann kommen unangenehme Steigungen in der Mittagshitze. An einer mache ich Pause, lege mich zur Siesta kurz auf die Isomatte. Innerhalb weniger Minuten setzt dann ein Sturm ein, der mir den Sonnenhut mehrfach wegbläst. Die restliche Steigung wird mühsam. Auch beim Abstieg muss ich jetzt treten, da der Wind den gesamten Hangabtrieb ausbremst. Gegen 16.00 Uhr ist der Sturm so unerträglich, dass ich in der Ebene nur noch schrittchenweise schiebend vorankomme. Ein Gehöft bei der Laguna di Auquinco verspricht Schutz. Ich erfahre dort, dass es noch 40 km bis Chos Malal sind und darf das Zelt im Windschatten der Pappeln vor dem Tor des Gehöfts aufbauen. Sogar die neue Dusche im Haus des Bauern darf ich nutzen. Nachts allerdings macht der Hofhund Ärger, weil ich offenbar seinen Liegeplatz im Windschatten okupiert habe.

Am nächsten Morgen scheint der Wind etwas nachgelassen zu haben. Auf der Straße jedoch werde ich eines besseren belehrt. Nach dem Aufstieg vom See habe ich einen wunderbaren Blick auf die regenverhangenen Berge der patagonischen Landschaft und fühle mich wie im Windkanal. Nur fußlängenweise schiebe ich das Fahrrad durch die Passhöhe, immer bedacht nicht vom Wind ganz umgeblasen zu werden. Der Abstieg funktioniert nur wieder mit treten im kleinen Berggang. Dann nochmals ein Aufstieg auf über 2000 m . Die Regenvorhänge nähern sich, der Wind wird eiskalt. Die zweite Passhöhe erreiche ich nur mit mehreren Pausen.

Kurz vor dem Ende reicht eine hilfesuchende Handbewegung gegenüber einem argentinischen PickupFahrer. Er hält an, lädt innerhalb von 2 Minuten das Fahhrad und das gesamte Gepäck auf die Ladefläche und nimmt mich mit zur 10 km entfernten Stadt. Leider wäre das der fulminante Abstieg auf 700 m gewesen, das ahnte ich aber kurz vor dem Höhepunkt nicht.
Dort empfiehlt er mir eine Pension mit Kochgelegenheit und sehr schönem Zimmer (15$). Innerhalb einer Stunde sitze ich beim selbstgekochten Mittagessen in Chos Malal, kann abends den Sonntagsgottesdienst wahrnehmen (es ist inzwischen So, 7.1.2001).

Dieses ¨Paradies¨ verlasse ich schweren Herzens am nächsten Morgen in Richtung Süden. Die Touristenformation hatte mir versichert, dass der Wind im Tal schwächer und außerdem aus Nordwesten, also teilweise von hinten wehen würde. Unterwegs gebe es auch Campingmöglichkeiten in Churiacca. Der Anfang läuft gut. Rückenwind treibt mich durchs Tal und die ersten Steigungen hinauf. Erst bei der letzten spüre ich auf der Höhe wieder den ¨Windkanaleffekt¨.

Der Weg nach Churiacca ist Naturstraße (2 km). Dort erwartet mich eine desolate Umgebung, verlassene Häuser, eine halbfertige Sporthalle, keine Infrastruktur. Auf die Frage nach einer Campingmöglchkeiten führt mich ein hilfreicher junger Mann auf den Hof eines ehemaligen Bauern, wo ich gleich von 4 Hunden begrüßt werde. Im Gelände hinter den Bäumen, wo der Traktor und der Anhänger verwittern, kann ich das Zelt aufschlagen, wieder eine Nacht ohne Dusche und WC.

Am nächsten Morgen betteln die Hunde um meine Mülltüte, zerfetzen sie sofort und fressen das Wurst- und das Butterpapìer (!!). Froh wieder auf der Landstraße zu sein, überrascht mich nach 15 Min. der erste Plattfuß am Vorderrad. Flicken bei heftigem Wind. Das Fahrrad wird an ein Strassenschild gegurtet.

Nach 1 Stunde geht's weiter, der Wind nimmt zu, Regen kommt auf. Bei einer kurzen Abfahrt rollt das Hinterrad über einen Stein auf der Fahrbahn, Plattfuss. Der Schlauch ist doppelt gepetzt. Mit einem grossen Flicken versuche ich beide Löcher gleichzeitig zu erwischen. Währenddessen setzt eiskalter Regen ein, der das Gepäck, mich und vor allem die Klebestelle durchnässt. Beim Einsetzen des Hinterrades quetsche ich mir in der Hektik den rechten Daumen (schmerzhaft). Ich bin selbst überrascht, dass nach all dem, der Schlauch wieder hält.

Also weiter nach Las Lajas. Nach 1 Stunde schwenkt die Straße Richtung Westen. Der Gegenwind lässt keine Geradeausfahrt mehr zu. Im kleinsten Berggang gehts bergab, nur mühsam schiebend bergauf. Am Horizont Schneeschauer ab 2000 m . Der Wind ist eiskalt.

Wie beim letzten Mal findet sich jedoch auch hier 10 km vor dem Ziel ein hilfreicher PickupFahrer, der mich rettet. Die Fahrt wird gleich bis Zapala verlängert. Von dort gibt es Busse in den Seendistrikt bei San Martin de los Andes. In einem Offiziersheim finde ich ein stilvoll (Mahagonie) möbliertes Zimmer (12$). Einkauf und Abendessen lassen die Katastrophen der Fahrt wieder vergessen.

Dennoch: Diesmal bleibt's bei dem Entschluss, den Kampf mit dem patagonischen Wind nicht noch einmal aufzunehmen. ¨El Petroleo¨ bringt mich in einem fast leeren Bus (3 Reisende) nach Junin de los Andes. Fahrrad und Gepäck werden problemlos mitgenommen.

Hier erfahre ich zum erstenmal, dass es doch Urlaubsregionen in Argentinien gibt, wo ich nicht der einzige Gast bin. Die preiswerten Pensionen sind ¨completo¨, ausgebucht. Dennoch findet sich ein Zimmer, aber nur fuer 25 $.

Die Landschaft hier unterscheidet sich wesentlich von den Steppen der letzten Wochen, wo nur künstliche Bewässerung in den Städten für ein wenig Grün sorgte. Die Berge sind von sich aus grün. Auf einem wachsen sogar Bäume (ohne Bewässerung). Der Ort ist Ausgangspunkt zum Nationalpark ¨Lanin¨ . Der gleichnamige Vulkan (fast 4000 m ) ragt eindrucksvoll aus der Berglandschaft heraus, derzeit natürlich heftig verschneit. Mehrere Seen laden zum Wandern und Angeln ein. Dafür ist es um gut 10 Grad kälter als bisher.


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