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35. Tag: San Diego - Tijuana (Tram)
Di, 26.08.2003


Es ist ein fremdes Land - "alien country" - wie mein Reiseführer warnt: Mexico. aber der Reihe nach:

Zuerst besorge ich beim San Diego Transit (Broadway /First) eine Zweitageskarte für die Straßenbahn (9$), dann besteige ich eine der häufig verkehrenden Straßenbahnen nach San Ysidro. Diese Linie ist auf der Gleistrasse der BSNF-Güterbahn entstanden, diese kann von Güterzügen noch benutzt werden - entsprechend hoch hängt dort die Oberleitung. Die gesamte Anlage der Straßenbahnen in San Diego ist ein Projekt von Siemens/Duewag von 1980. Die Bahn erinnert also an die Straßenbahnen in Köln oder Mannheim. Die roten Sechsachser sind zum Teil schon 23 Jahre alt und laufen immer noch treu unter einer typisch deutschen Gleichstromoberleitung. Unterwegs sind mehrere S-Bahn-ähnliche neue Haltepunkte entstanden, die alle gut frequentiert sind.

An der Endhaltestelle strömen alle eine lange Rampe zur Grenzabfertigung hoch - ich folge. Es folgt eine vergitterte Brücke und eine ebenso lange Rampe abwärts - dann ein drei Meter hohes Drehkreuz und ich bin - ohne Kontrolle - in Mexiko. Dort empfangen mich gleich aufdringliche Taxifahrer, die ihre Dienste für 5$ anbieten. Ich folge aber zu Fuß der Beschilderung zum Zentrum vorbei an unzähligen gerade erst öffnenden Verkaufsständen und Imbissstuben.

Die empfohlene Einkaufsstraße "Avenida Revolucion" beginnt mit einem riesigen Stahlbogen, in den eine LED-Leuchtreklame eingehängt ist. Auf der USA zugewandten Seite trägt sie den Stadtnamen Tijuana. An der Straße folgt ein aufdringlicher Verkäufer dem nächsten - ich weiche bald auf die weniger touristische Parallelstraße aus. Hier nimmt die Qualität der Straße und der Läden mit jedem Meter vom Zentrum rapide ab. Zuletzt muss ich über fehlende Schachtdeckel und geborstene Bürgersteige klettern entlang an Garagengeschäften, in denen jede Menge technischer Krempel vom Hammer bis zur Wasserpumpe angeboten wird. Mit scharfen Lösungsmitteln werden US-amerikanische Beschriftungen beseitigt...

Den Abschluss bildet ein verwahrloster Park ohne Müllbehälter - der Picknickmüll verteilt sich um die Bänke. Ein Schuljunge (Warum ist er um diese Zeit eigentlich nicht in der Schule ?) gibt gegen Backschisch den Schlüssel zum Toilettenhäuschen aus. Dabei weht hier oben eine von vier überdimensionalen Flaggen des Landes - innerhalb eines militärischen Sperrbezirks. Nach der Mittagspause im Park - das meiste dafür habe ich im Rucksack mitgebracht - schwenke ich nun doch in die Touristenstraße und in die Basarhöhlen hinein. Anfangs nennen die Verkäufer immer Mondpreise - beim Weggehen rufen sie mir dann Preise bis zu einem Viertel des Erstangebots nach. Einen Lederhut in meiner Kopfgröße suche ich schon lange: Erstangebot 40$ - ich zahle schließlich 10$.

Der Rückweg führt zur katholischen Kathedrale der Signora von Guadalupe. Es ist eine Marienkirche. Wie in Südamerika üblich stehen alle Türen offen - der Lärm der Autos und Händler dringt herein - dennoch beten viele sehr intensiv. Welch ein Kontrast zu den coolen Kirchen in den USA, die man nur sonntags und im Anzug betritt... In den Seitengassen werden dann die wirklichen Zustände der Stadt deutlich. Die Leute wohnen in halbfertigen Häusern. In einer Lagerhalle bieten verschiedene Wirtinnen ein komplettes Essen für 1$ an - jetzt natürlich nur noch auf spanisch.

Der Rückweg führt noch einmal durch einen verwinkelten "Künstler-Basar", wo vom Bleiglasfenster bis zum Terrazzo-Tisch alles Kunsthandwerkliche angeboten wird, was man zur Hausgestaltung brauchen kann.

Ich bin gespannt auf den Grenzübertritt zurück in die USA. Zunächst wird mehrfach vor Drogenschmuggel gewarnt. Ich hatte meinen Rucksack schon vorher durchsucht und achte jetzt sehr darauf, dass ihm niemand zu nahe kommt. Merkwürdigerweise werden entlang der Warteschlange von zwielichtigen Gestalten völlig unbrauchbare Fahrräder verliehen. Ich sehe dann, dass es eine eigene Spur für die Fahrradabfertigung gibt, die nicht bei den Fußgängern warten muss. Dann zieht eine Reihe gut gekleideter Herren mit solchen verwahrlosten Kinderfahrrädern an der Warteschlange vorbei und wird zum Teil ohne Gepäckdurchleuchtung durchgelassen. Irgend etwas passiert hier - ich weiß nur nicht was. Nachher steht eines dieser Fahrräder allein gelassen am Geländer...Mein Gepäck wird zweimal durchleuchtet und einmal von Hand durchsucht. Ich komme aber problemlos wieder zurück in die USA. Was für ein fremdes Land. So anders war keine der Städte in Argentinien oder Chile gewesen.

Auf dem Rückweg bleibe ich in der Straßenbahn sitzen, die die Stadt durchquert und fahre bis zur Endstation im Nordosten (Mission Valley). Dort wird gerade ein neues Nobelwohnviertel gebaut mit wunderbar grünem Rasen und riesigen Blumenstauden entlang den Straßen - welch ein Kontrast zum gerade Erlebten. Im angrenzenden Supermarkt sind alle Preise genauso klein wie gerade eben in Tijuana. Es gibt komplette Mountain Bikes mit Gabelfederung für 69.99$. Ich glaube, die 65$ für mein gebrauchtes Rad sind doch nicht zu wenig...

Am Abend gehe ich nochmals durch das Convention Center zum Embarcado Park - welch ein gepflegter Genuss...


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