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Es ist angenehm windig beim Frühstück in der Pension auf der offenen Veranda.
Jetzt um 8:00 Ur morgens bringt der Wind noch Kühlung. Ich starte kurz nach 9:00 Uhr.
Der Wind bläst mir in den Rücken und schiebt zusätzlich den Hang von Bergama hinunter
auf die Hauptstraße nach Izmir. Die ist jetzt am Morgen nur mäßig befahren. Der gestern geschmolzene
Asphalt hat sich wieder zu einer glatten Fläche geschlossen, auf der man gut radeln kann.
Obwohl ich aus dem Becken von Dikili und Bergama wieder hinaus ans Meer muss, halten
sich die Steigungen in Grenzen. Ich muss nicht schieben.
Die Landschaft ist wieder steppenartig auf den Bergen und Hügeln und ein fruchtbarer Gemüsegarten in
der Ebene dank intensiver Bewässerung. Die Sonenblumen haben sich im Wasserbad wieder erholt
Schon vor 12:00 Uhr bin ich in Aliaga, zweige in die Ortsstraße ab und finde am neuen, kleinen Touristenhafen sofort einen schönen Picknickplatz. Drei Sitzbänke sind unter dem Schatten eines dichten Knöterichdaches so angeordnet, dass man trotzdem aufs Meer schauen kann. Dort beliefern mehrere kleine Tankschiffe eine riesige Raffinerie an der Nordküste der Bucht.
Nach meiner Mittagspause finde ich auch gleich einen BIM, um Wasser nachzutanken: Mittagspause von 13:15 Uhr bis 14:00 Uhr ! Der Muezzin ruft. Über 100 Männer knien auf kleinen Teppichen und Pappdecken vor unter neben der Moschee in einem kleinen Park und machen ihre synchronen Verbeugungen nach Osten - ein ungewöhnlicher Anblick in aller Öffentlichkeit.
Als endlich der BIM öffnet, ist es nach 14:00 Uhr. Nach dem Einkauf schiebe ich das Rad wieder hoch auf die oberhalb verlaufende Hauptstraße. Dort stelle ich mit Bedauern fest, dass eine ununterbrochene Kolonne von Tank-Lastwagen randvoll in gemäßigtem Tempo über die nur zweispurige Umgehungsstraße schiebt. Diese wollen natürlich - auch aus Sicherheitsgründen - auf der rechten Spur bleiben. Da stört ein Radfahrer wie ich nur - und wird weggehupt. Die parallel verlaufende Bahnlinie ist als Schnellbahn neu trassiert - aber ohne Zugverkehr. Kein Tankwagenzug entlastet die Straße.
In der Senke hinter Alliaga ist der Himmel weißlich trüb. Auslöser ist ein großes Kraftwerk, das offenbar mit dem Öl der benachbarten Raffinerie betrieben wird, aber keinen Staub- oder Abgasfilter besitzt. Diese Industrieluft kontrastiert hart mit den klaren Konturen der gegenüberliegenden bis zu 1000 m hohenBerge. Mitten in dieser Industriebrache gibt es einen neuen Bahnhof - aber keinen Ort. Der Zugang ist abgezäunt, auf der breiten Zufahrtstraße wuchert das Unkraut. Eine Diesellok schiebt im Schritttempo drei leere Containertragwagen durch den Bahnhof.
Dank Rückenwind bin ich schon vor 16:00 Uhr in Menemen. Die Stadt besitzt am Eingang einen etwas verwahrlosten Park mit kleinen Bäumen, die Schatten spenden. Hier will ich nochmals ausruhen für die letzten 26 km. Jäh reißt mich jedoch die unsäglich plärrende Lautsprecherstimme eines Wahlwerbemobils aus der Ruhe. Diese lärmenden Ungetüme nehmen seit der letzten Woche in allen Städten zu. Selbst der Ruf des Muezzin ist ihnen nicht heilig, wo sonst in allen Restaurants und Bars die Beschallung abgestellt wird.
Der nun folgende Abschnitt der Straße nach Izmir ist sechsspurig - aber mit hunderten von Bussen bevölkert: Vom kleinen Dolmus mit 12 Personen bis zum Gliederbus. ls die Straße am Stadtrand die Bahngleise überquert, sehe ich, dass der Bahnhof vollgestellt ist mit Intercitywagen und Dieselloks. Offenbar enden und beginnen Intercityzüge nach Ankara und Istanbul schon hier. Das wird bestätigt durch den Zustand der parallel zur Straße verlaufenden Gleise. Die Strecke ist zwar komplett renoviert, elektrifiziet und mit hochmodernen S-Bahnhöden ausgestattet, liegt aber brach und verwahrlost. Die Oberleitung ist wieder zerrissen, die Anwohner brechen Löcher in den Schutzzaun und nutzen die Strecke als Fußweg.
Der Verkehr verdichtet sich bald zum Stop and Go. Bei jeder Anfahrt lassen LKWs, Busse und die meisten Lieferwagen eine dicke schwarze Rußwolke ab. Ich kann kaum atmen - mir wird schwindelig. Ich versuche rechts neben den Bussen zu fahren. Das wird aber gefährlich, wenn die Minibusse einen Fahrgast außerhalb der Haltestellen ein- oder aussteigen lassen wollen: Sie schneiden mir einfach den Weg ab und drängen mich an die Straßenkante.
Mein Schwindelgefühl geht in zunehmende Gleichgewichtsstörungen über. Am Ortsrand von Izmir versuche ich daher, mich im schönen Uferpark zu erholen. Trotz Pause und Liegen wird es kaum besser. Dazu wird mir speiübel. Nach heftigem Durchatmen taste ich mich wieder mit dem Rad auf die Stadtautobahn. Der Versuch, eine weniger befahrene Parallelstraße zu finden, schlägt fehl. Ich lande am großen Busbahnhof vor der Stadt und muss umkehren. Im Gewirr der Ein- und Ausfahrten kommt es zu manch brenzliger Situation zwischen mir und spurwechselnden PKWs - ein Höllentrip.
Endlich lande ich am Kreisel neben dem Basmane-Bahnhof, dem Hauptbahnhof der Stadt. Dort fährt kein Zug mehr ein oder aus. Alle Passagiere werden zuerst mit dem Bus an die Peripherie gebracht. Die komplett neuen Gleise des Bahnhofs liegen ungenutzt. Es gibt weder einen Abfahrts- noch einen Ankunftsplan der Züge. Man muss fragen. Dann holt die Infobeamtin eine handgeschriebene (!) Kladde mit den Zuglaufzeiten. Trotzdem hat jeder Arbeitsplatz einen PC !
Ich finde gegenüber vom Bahnhof im Hotel "Imperial" ein schönes kleines Zimmer mit Blick auf die benachbarte Moschee und den - leider zugfreien - Bahnhof. Nur ganz langsam gehen die Gleichgewichtsstörungen wieder zurück. Ich glaube, jetzt reicht es...
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